Die Rumtreiber – Am anderen Ende der Welt


April 5, 2009

Glenorchy, Tor zu(m) Paradise

Category: Frühlingsgefühle – Nils-&-Babs – 10:00 am

Eines gleich zu Anfang. Glenorchy ist natürlich keine sündhaft teure Whiskymarke aus Schottland. Viele verwechseln dies und stehen dann benommen da, wenn sie erfahren, dass es ein sehr kleines Örtchen westlich von Queenstown ist. Noch schlimmer wird es, sobald klar ist, dass es statt Whisky hier Kaffee und Kuchen, oder eben ganz nach neuseeländischer Tradition, Bier gibt. Da hier gerade noch der Winter gegen den nahenden Frühling ankämpft, ist kaum etwas los. Es lebe die Nebensaison!. Die ersten Lämmchen tummeln sich auch hier schon fleißig herum, während die Natur immer noch ein wenig braun und schlapp vor sich hin schlummert.

Auf nach Glenorchy!

Schäfchen zählen

Da nicht wirklich viel los ist, erkunden wir am Abend nach unserer Ankunft erst einmal das Örtchen selbst. Immerhin lockt unser Zimmer nicht gerade. Wir haben ein Bett und eine Kommode, dass reicht ja auch. Den roten Baron können wir leider nur draußen lassen. Er passt einfach nicht mit ins Bett.

Einmal um Glenorchy

…vielleicht auch zweimal um Glenorchy

Am nächsten Morgen erwartet uns geradezu Traumwetter für diese Region und unsere Wandervorhaben der nächsten Tage. Regen. Da muss natürlich ein deftiges Frühstück her bevor man, eingehüllt in eintausend und eine Superfunktionsklamotte aus dem Outdoor-Geschäft unserer Wahl, loslegt. Bei der Zubereitung des benötigten Toastbrotes muss allerdings improvisiert werden. Zum Glück hatten wir damals die ein oder andere Folge MacGyver mit verfolgt, um für solche Fälle bestens gerüstet zu sein.

Handarbeit

Toast fertig … in nur 4 Minuten

Unser erstes Ziel für die nächsten Tage soll Paradise sein. Als wir den roten Baron besteigen beschleicht uns angesichts der Wolken über uns und dem Dauerregen ein Gefühl, als könnte das heute nur eine Wunschvorstellung bleiben. Wir werden es trotzdem probieren.

Auf in die Welt der Geröllstraßen

Über Flüsse, Stock und Stein

Ist der Weg anfangs noch geteert und gut ersichtlich, ändert er sein Wesen spätestens an der Abzweigung auf die kleine Schotterstraße die uns nach Paradise führen soll. Immer weicher wird der Untergrund und der Regen will kein Ende nehmen. Zu allem Überfluss hat die Grundschulklasse der örtlichen Kuhherde heute gerade Wandertag. Das ich auf dem schlammigen Untergrund nicht anhalten möchte interessiert die futternde Bande nicht. Also hupen wir uns so voran und unser kleines Glücksäffchen auf dem Armaturenbrett schaut ungläubig drein. Ein weiteres Highlight sind vor allem die Furten die wir hier und da überqueren müssen. Bei manchen lasse ich Babs aussteigen und schauen wie weit sie im Fluss versinkt bevor ich mich hindurch traue.

Kuhausflug

Der Baron geht baden

Die Bauern, die wir unterwegs treffen, können nur staunen dass hier tatsächlich jemand versucht, ohne Allradantrieb durchzukommen. Recht haben sie. Aber wo soll man denn hier bitte auch drehen, bei Kühen überall und einer einspurigen Schlammstraße, die zu allen Seite auf noch schlammigere Wiesen führt?! Furtüberquerung Nr. 4 fordert dann doch schließlich nach drastischeren Maßnahmen. Der Baron taucht gehörig unter, als wir mit „angemessener“ Geschwindigkeit hindurch preschen. Babs darf in den Regen hinaus, um sich zu erfrischen und mich auf der zwei Quadratmeter großen Fläche einzuweisen. Wir drehen um. Der Blick nach vorn zeigt uns Wald, mehr Schlamm, halbe Baumkronen auf der Straße und finstere Kühe. Was wollen die denn bitteschön im Wald?! Da mir meine schweißgebadeten Finger sowieso schon vom Lenkrad rutschen, wäre das Weiterfahren sowieso keine gute Idee.

Wir quälen den Roten also zurück und entkommen dem Schulausflug der Kühe. Wir werden zwangsweise einen anderen Platz zum Wandern suchen. Wir fliehen vor den größeren Wolken und stoßen schließlich auf einen der aber tausenden Wanderwege in Neuseeland. Ein kleines Schild am Straßenrand verkündet den Glacier Basin Track. Ein Blick in unsere Wanderbroschüre verrät einen Weg der Stufe „medium to hard“ mit „vorhandenen Markierungen“. Mehr braucht es dieser Tage nicht uns hinaus in den Regen zu treiben. Die ersten Meter führen über die Ländereien eines Bauern. Das ging schon mal ganz gut.

Zwei suchen den Weg

…der Weg am Fluss vorbei

Schwieriger wird die Flussüberquerung, die nötig ist, um den Track überhaupt zu beginnen. Auf Fotos haben wir gesehen, wie das ein richtiger Neuseeländer so macht. Einfach durch. Nasse Schuhe halten hier niemanden ab. Allerdings führt der Fluss, dank des Regens, Hochwasser. Immer noch kein Grund, nicht bis zur Hüfte eingetaucht hindurchzuwaten. Aber wir sind ja noch softe Wanderneulinge. Da suchen wir schlauerweise einen Weg drumherum. Na klar, wird da so manch einer sagen. Wie will man denn um einen Fluss „herum“ gehen? Stimmt. Das geht schlecht. Und so kostet uns das erste „Riesenstück“ dieses Weges eine ganze Stunde, bis wir eine geeignete Stelle finden, an der wir uns mittels Weidezaun über den Fluss schwingen können. Nachdem das also geschafft ist, steht dem weiteren Aufstieg durch den dichten Wald nichts mehr im Wege. Nass sind wir ja inzwischen schon. Da stören die vielen Nässe verbreitenden Farne am Boden auch nicht mehr.

Ein Männlein steht …

… im Walde

In unserer Vorstellung hat der Weg inzwischen den Härtegrad „hard“ eingenommen und wir staunen, als wir doch noch den „Ausgang“ des Waldes erreichen. Von da aus sollte der, über der Wachstumsgrenze gelegene Gletscher schon fast sichtbar sein. Aber eben nur fast, denn wir erinnern uns ja, dass wir uns mitten im herrlichsten Regenwetter herumtreiben. Wolken und Nebel erwarten denjenigen der weiter läuft. Wer immer das an diesem Tag auch sein mag, wir wünschen ihm Glück. Wir werden umdrehen und uns an unserem Allzwecktoaster im Zimmer aufwärmen. Eine letzte Großwildjägergeste musste ich natürlich noch aufbringen. Dann kann ich mich mit 60 bei einem gemütlichen Blick durchs Fotoalbum noch einmal daran erinnern und denken: „Da war ich noch jung und ein alter Poser … ähh Haudegen“.

Unbekannter Berg 2008 … wir waren oben

Der Blick auf den Gletscher … im Nebel

Ein neuer Tag, selbes Zimmer und Weißbrot vom Reservetoaster. Heute wollen wir eine Tagesetappe auf dem allseits beliebten Routeburn Track laufen. Ob dieser danach bei uns auch allseits beliebt ist?! Im Nieselregen geht es über die ersten Seilbrücken des Weges, vorbei an schneebedeckten Bergen und vielen, vielen Flüssen.

Ein Fluss kommt selten allein

Fluss Nr. 2

Der Weg ist quasi für den Tourismus erschlossen und bietet damit kaum die Gelegenheit verloren zu gehen. Meist folgt man einfach dem mit Brettern getäfeltem Weg.

Immer auf dem Holzweg …

Eigentlich hätten wir diesen Weg gern in seiner vollen Länge und in mehreren Tagen gewandert, doch ein Gespräch mit den örtlichen Wanderwegsfachberatern vom DOC lässt uns auf die Schulausflugsversion zurück greifen. Es besteht akute Lawinengefahr und wir bräuchten eine Notfallausrüstung, Funkgerät und jahrelange Berg/Wandererfahrung … das Alles haben wir natürlich. Aber leider gibt es auf den Hütten um diese Jahreszeit kein Klopapier. Wir müssen kapitulieren, da der Supermarkt bereits geschlossen hat.

Gletscherwasser

Klar, Blau, Kalt

Guter Dinge und ohne Klopapier kommen wir an Hütte Nr. Zwei an. Verbittert stellen wir fest, dass andere Wandersleute ihr Papier hier gelassen haben. Wir hätten die Mehrtagestour also geschafft. So müssen wir in wesentlich leichteren Bedingungen, zur Sommerzeit und auf einer anderen Reise noch einmal zurück kommen.

Am Fuße der Berge

Eine Hütte für Wandersleute

Ein Nebelgebirge

Wir machen uns auf den Rückweg und philosophieren über Sauerkraut und Bratwurst. Warum reden wir eigentlich jedesmal, wenn wir nur Müsliriegel und Trockenobst dabei haben, über unsere jeweiligen Lieblingsessen aus der Heimat. Notiz an uns: Aufhören mit der Nahrungsmittelfolter während ausgedehnten Spaziergängen.

Es klappert die Mühle …

In den nächsten Tagen will uns Thomas, unser Freund und Eimerjunge (die liebevolle Bezeichnung seines Jobs auf dem Weinberg) aus Dunedin besuchen. Dort schuftet er gerade im Mc Donalds und ist froh über ein freies Wochenende bei Kaffee und Kuchen. Genau, denn das beides gibt es hier in Glenorchy ja in rauen Mengen.

Wir beschließen, als waschechte Ortskundige, ihm die Schönheiten der Region zu zeigen. Leider sind das nicht die ortsansässigen Frauen, sondern die Wiesen und Berge. Als alter Hase im Bereich Natur und Flusserkundungen, kann ich ihm dabei die ein oder andere überraschende Sache zeigen, wie z.B. den seltenen neuseeländischen mausgrauen Wasserkäfer.

Sieh an! Ein mausgrauer Wasserkäfer!

Zäune … auch über Flüsse

So vergehen die Minuten und Stunden des Schlenderns, immer unter den wachsamen Augen der lokalen Bevölkerung, erkennbar an der schwarz-weißen Färbung.

Babs zeigt den Weg

Immer voran unter prüfenden Blicken

Nach solch horrender Anstrengung tut der waschechte Franzose was er muss, rauchen. Bon Appetit mein Freund!

O la la

Zurück im Örtchen gibt es, wie sollte es auch anders sein, Kaffee und Kuchen. In meinem Fall Kuchen, Fudge und Brownies. Wenn schon denn schon. Wir „indulgen“ wie wir es auf Denglisch nennen und machen uns bereit für die nächste sportliche Herausforderung: Golf.

Wie bei Muttern

Indulgen

Deutscher: mampft Franzose: genießt

In Deutschland und auch andernorts wahrscheinlich eher ein Sport der gutbetuchten und Poloshirt-Träger (gern mit kleinem Krokodil oder ähnlichem Logo) ist Golf in Neuseeland allgegenwärtig. Jedes Dorf, jede Siedlung und jedes noch so abgelegene Fleckchen Erde hat in Neuseeland einen Golfplatz. Da stört es nicht, keine Zähne mehr zu haben, kein kleines Krokodil-Logo-Shirt oder überhaupt etwas zum anziehen. Wahrscheinlich könnte man nackt spielen. Für 5 bis 10 Dollar ist man dabei, im elitären Kreis der Golfer. Thomas ist alter Semi-Profi mit dreimaliger Golferfahrung. Darum zeigt er uns die ersten Schritte auf dem Grün. Blamieren können wir uns zum Glück nicht, denn es ist niemand weiteres da. Würde man mich nach meinem Handicap fragen, müsste die Antwort sowieso „Golf“ lauten. Mein Handicap ist Golf an sich.

Wir schlagen uns durch

Das neuner Holz bitte …

Und so fliegen schließlich die Rasenfetzen, Schläger und Arme in wildem Wechsel. Ich entpuppe mich als gekonnter Schütze für Teiche und Senken weit ab von jedem Loch, während Babs in der kurzen Distanz zuschlägt. Kein Plätzchen das nicht von ihren kräftigen, eleganten aber dennoch ungezielten Schlägen spricht. Aber schließlich will man ja etwas von seinem Golfabenteuer haben und so stört es nicht, wenn statt der „normalen“ Anzahl von Schlägen, bei uns beiden jeder Meter erkämpft wird. Also irgendwie hatte ich mir das leichter vorgestellt. Respekt Tiger Woods, wir müssen unser erstes Treffen wohl doch noch ein wenig verschieben.

Ähhhh … fast

So verlassen nur (Semi-)Profis den Platz

Schließlich wird es dunkel und wir müssen uns für heute zufrieden geben. Zeit auch Glenorchy den Rücken zu zukehren und erst einmal wieder Richtung Queenstown zu fahren. Unser nächstes Ziel wird über kurz oder lang der Milford Sound sein. Thomas werden wir in Neuseeland nicht wieder sehen. Er wird bald in die USA fliegen, um dort mit seiner neu gefundenen Liebe durch ihre Heimatland zu fahren. Um die Tränen in unseren Gesichtern auszublenden, verabschieden wir uns mit verdunkelten Gesichtern vor der Kulisse zwischen Queenstown und Glenorchy. Bye bye Alpenwelt, bye bye Thomas. Das nächste Mal treffen wir uns in Europa! Dann kann auch unsere Band Duo-E-Uno eine Comeback feiern!

Salut!

Bye Bye Glenorchy!

…bis zur nächsten Episode aus dem Leben einer Rumtreiberbande!

Á la prochaine. Adieu!

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