Die Rumtreiber – Am anderen Ende der Welt


Oktober 25, 2009

Schafe und Kühe in Horden: Von Bluff in Richtung Norden

Category: In ca. 80 Tagen von Bluff nach Picton – Nils-&-Babs – 9:54 pm

… so lang … also genauer gesagt soooooooo lang ist es her. Der letzte Lebensbeweis einer Reise quer durch Neuseeland und Australien. Unserer Reise.

Das wird ab jetzt geändert. Nicht das es still geworden wäre um die Rumtreiber … ich musste nur einmal meinen Komfortbereich verlassen und wieder etwas schreiben. Mal sehen, wo waren wir. Im Jahre 2008. Es ist Oktober und während sich die Nordhalbkugel auf Herbst, bunte Blätter und das erste Weihnachtsgebäck im Supermarkt freut, reisen zwei am anderen Ende der Welt dem Frühling entgegen. Ich erinnere mich noch als wäre es letztes Jahr gewesen … der Vorhang hebt sich, die Lichter werden gedimmt und es kommt zum Vorschein … eine lauwarme Geschichte. Psssst, es geht los!

Bestimmt hat jeder schon mal bemerkt, dass einige Mitspieler beim Kartenspielen manchmal nicht ganz nach den Regeln spielen. Auf neudeutsch nennen wir das bluffen. Aber nicht nur Kartenspieler bluffen. Politiker tun es, Großindustrielle, Du und Ich. In Neuseeland tuen es vorzugsweise Stadtplaner. In einem geschickten Coup aus dem Jahre 1902 hatten sich 13 Schafsfarmer zusammen geschlossen, um für ihre Ländereien Stadtrechte zu bekommen. Dies war die Geburtsstunde der Stadt Reggahspeehs. Damit wollten sie sich nicht nur das Recht auf die Bierbrauerei sichern, sondern außerdem die umliegenden Milchfarmen eingemeinden, Steuervergünstigungen erhalten und Ansichtskarten drucken lassen. Der Schwindel flog erst 6 Jahre später auf, als die sogenannte Stadt bereits ein gut florierendes Tourismusgeschäft betrieb und sich die Bevölkerung um mehr als 400 % erhöht hatte. Daher beschloss man passender Weise, den Namen der Stadt in Bluff zu ändern.

Natürlich könnte ich mir diese Erzählung hier auch ausgedacht haben, um eine abgedroschene Geschichte zum kleinen Städtchen Bluff aufzutischen … wer weiß. Ein kleiner Restzweifel besteht also.

Wie jede südlichste, westlichste, östlichste oder nördlichste Stadt dieser Welt hat natürlich auch Bluff zwei Dinge. Einen super Ausblick auf das südlichste, westlichste, östlichste oder nördlichste Ende einer Landmasse und … einen Wegweiser den man als Hobby-Ballonfahrer nutzen kann um seiner Weltumrundung zu starten.

Der Ausblick bei Bluff

Von Bluff in die Welt

Die südlichste Stadt Neuseeland hat aber durchaus noch mehr zu bieten. Wind nämlich. Zur Illustration hier einmal zwei verschiedene windschnittige Frisuren. Als Model treten auf eine Gruppe Bäume und ich selbst. Damit es nicht zu Verwechslungen kommt, möchte ich betonen, dass mein Bild das Linke ist.

Frisur: Wind von rechts

Frisur: Wind von links

Wir verlassen Bluff in Richtung Catlins. Dabei begegnen wir ein paar Kälbern mit ihren Müttern auf einem Nachmittagsspaziergang. Keine brenzelige Situation, aber denoch schaut unser kleiner Aufpasser, unser Äffchen vorn rechts im Bild, besorgt zu mir herüber. Ich kann ihn beruhigen und wir können unseren Weg fortsetzen. Um alle Fragen von vorn herein aus dem Weg zu räumen: Ja, wir betrachten ein kleines Spielzeugäffchen als Teil unserer Gruppe. Immerhin ist er klein, sauber und sehr anspruchslos. Vor allem aber habe ich ihn aus einer Kinderüberaschung bekommen. Und irgendwie bekomme ich sonst immer nur diesen blöden Bastelkram …

Cows on the run

Familienspaziergang

Die Catlins begrüßen uns in üppigem Grün. Nicht schlecht, denn das passt zu unserem Roten Baron. Wir sind zu einer für uns sehr frühmorgentlichen Zeit bereits unterwegs um heute endlich einen Spaziergang am Slope Point zu unternehmen. Lange schon haben wir das vor. Auch Gelegenheiten hätte es wohl gegeben. Aber wir haben es uns aufgehoben, für diesen, heutigen Tag. Als wir allerdings am Anfang des Weges ankommen, werden wir vom streng militanten weißen Block aufgehalten. Lämmern. Es ist die Zeit der kleinen frischen Lämmchen und wir dürfen sie nicht stören beim … nunja … beim glücklich auf die Welt kommen. Sollen sie womöglich eine unbeschwerte Kindheit genießen bevor sie dann nach nur wenigen glücklichen Monaten auf Erden zu einem herzaften Lammgericht werden? Hier ist also kein Weiterkommen. Wir fahren weiter in Richtung Osten und beschließen nocheinmal, in Zukunft nie wieder ein Lammgericht zu essen, nachdem uns bei Betrachtung der Kleinen nur Wörter ohne jeglichen Sinn, aber dafür mit einem dezenten Modegeschmack einfallen („Gucci-Gucci-Gu“).

Der weiße Block

Zumindest ein Ausblick: Slope Point

Als zweiten Stop haben wir uns einige, sagen wir mal Wasserfälle, ausgesucht. Einer davon trägt sogar den trefflichen Namen „Niagara Falls“. Meine These hierzu ist, dass der Entdecker dieser sub-gigantischen Fälle einen Freund hatte, der wiederum eine Tante hatte, die irgendwo in der Zeitung mal was über die echten Niagarafälle gelesen hatte. Somit kannte er den Namen, assozierte ihn mit gigantischen Wassermassen und benannte das soeben neu entdeckte Sturtzbächlein. Warum sie ihm so gigantisch vorkamen? Wahrscheinlich weil er mit dem Wort gigantisch nicht vertraut war. Das passiert einem als Mann schon mal.

Nein … das sind sie noch nicht

Wunderbar! Die Niagara Falls

Zu unserm Glück liegt der kleine Wasserfall direkt am Grundstück eines Farmers. Und dessen Hund sorgt garantiert dafür, dass man nicht allzu gelangweilt aus der Sache heraus kommt. Fröhlich kommt er uns mit seinen Freunden entgegen, mit dem typischen Zeichen des freundlichen Hundes … dem Wackelschwanz und den gefletschten Zähnen. Wir entschließen uns schweren Herzens zur fluchtartigen Weiterfahrt. Nach so viel überwältigenden Eindrücken war der Nugget Point genau das Richtige. Ein Zuhause für Pelzrobben, Seelöwen, Gelbaugen Pinguine und vielleicht auch rote Kleintransporter.

Nugget Point

Nugget Point 2

Auch am Nugget Point werden wir nicht viel wandern, denn auch hier regiert das Schafsregiment. Nicht so schlimm, denn es lockt uns die Nostalgie weit vergangener Tage (wenn nicht so gar Wochen). Eine kurze Reise in unsere alte „Heimatstadt“ Dunedin. Wir wollen zwei Freunde, Kris und Sara, dort besuchen. Ich freue mich dabei besonders auf den kleinen Mo. Einen jungen Jack-Russel. Ich kannte ihn bereits als Baby-Hund und wollte einfach nur sehen, ob er bereits feste Nahrung bekommt. Ich will nur hoffen, dass inzwischen nicht nur Roadkill, zu deutsch überfahrene Possums, auf seinem täglichen Hundsespeiseplan steht.

Bevor der kleine jedoch Gassi mit uns gehen kann, muss der Hobbygärtner in jedem von uns überglücklich gestimmt werden. Der Frühling hält Einzug und das ist immerhin Zeit für ein ganz besonderes Schauspiel. Die Rhododendren-Blüte im botanischen Garten von Dunedin.

Bestäubungshelfer bei der Arbeit

Oktober Glocken

Rhododendren

Die Blumentante

Wir beobachten am anderen Ende des Parks wie die Rugbymanschaft der Universität von Dunedin ein kunstvoll choreografiertes Tanzstück einübt. Wahrscheinlich ist wieder einmal ein Semester erfolgreich geschafft, und zwar ohne allzu große Verluste von wichtiger Gehirnmasse beim allwöchentlichen Komasaufen. Natürlich zeigt dieser Tanz dem geübten Beobachter noch viel mehr. Nämlich das allseits gegenwärtige schottische Erbe der Stadt. Schottenröcke und Karomuster sind hier die bestimmenden Merkmale. Zurecht, denn immerhin rühmt man sich als schottischste Stadt Neuseelands. An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit ergreifen und Hamburg zur schottischsten Stadt Deutschlands ausrufen.

Lange Rede langer Sinn, wir entschlossen uns, während dieser Erkenntnis durchtränkten Minuten, zum Besuch des ältesten und ja, man muss es schon dazu sagen, einzigen schottischen Schlosses Neuseelands. Dem Larnach Castle. Erdacht und gebaut von
William James Mudie Larnach, oder wie seine Freunde stets zu sagen pflegten, Muddi (zu deutsch etwa „Matschi“, nicht zu verwechseln mit einem Thüringer SPD Minister). Stilvoll gelegen auf der wunderschönen Otago-Halbinsel birgt das Schloss nicht nur Geschichte und alte Möbel, sondern schöne Gärten, viel Ausblick und das Gefühl, für wenige Minuten in die schottische Lebensweise einzutauchen. Das fängt schon am Tor zum Grundstück an, wenn ein netter Herr im kleinen Häuschen einem das letzte Geld aus der Tasche zieht. Diese Schotten … Natürlich handelt es sich hierbei nur um das Eintrittsgeld, eine edele Spende zur Erhaltung des Schlosses. Keine Frage, aus Kostengründen wird es heute Abend Nudeln geben (mal wieder). Aber höchstens eine Woche!

Ausblick nach Erstürmung der Burg

Otago Harbour und die Halbinsel

Durch die Gärten bis ans Meer

Larnach Castle

Und um das Bild des schottischen Dunedin noch ein wenig abzurunden, haben wir auch endlich unsere lang aufgeschobene Stadt-und-Foto-Tour gemacht. Vorbei an den Plätzen und Gebäuden die für kurze Zeit zu unserer Heimatstadt gehörten. Vorbei am zentralsten Dreh-und Angelpunkt der Stadt, dem Octagon, sowie dem altmodischen Bahngebäude.

The Octagon

Dunedin Railway Station

Dunedin Railway Station 2

Die Zeit bei Sara und Kris ging leider viel zu schnell zu Ende. Nur wenige Tage bleiben uns, da wir uns dem Norden der Südinsel nähern wollen. Wir wollen zwei Freunde in Picton abholen und da wir Meister im Zu-Spät-Kommen sind, will unsere Weiterreise gut geplant sein. Doch die wenige Zeit nutzen wir. Pizza, Speight’s Bier und Mo. Jeden Tag ein kleiner Ausflug an unseren Lieblingsstadtstrand, St. Clair. Bei diesen Gelegenheiten mussten wir zweifelsfrei feststellen, dass ein kleiner Hund wie Mo das perfekte modische Accessoire für uns beide ist. Beim Dogwalk am Strand hätten wir sicher auch bei New Zealands Next Top Model eine gute Figur im Outdoor-Kleidungsbereich gemacht. Nils trägt eine Jeans, eine Fleecepulli und Mo’T-Couture, während Babs das ganze Bild mit einer abgelebten Tasche abrundet.

St. Clair City Beach

Die neue Mo’T-Couture

Auch als Frauenvariante sehr reizvoll

Pfähle die die Welt bedeuten, unser Dogwalk

Wir verlassen Dunedin schweren Herzens in Richtung Norden. Wir wollen ein paar Freunde in Wanaka verabschieden und in Queenstown Burger essen. Der Fergburger macht nun einmal süchtig. Und um noch etwas Neues zu erkunden, fahren wir einen kleinen Umweg nach Poolburn. Eine weitere Mittelerde-Expedition. Was soll man tun? Die führen uns nunmal zu einigen der schönsten Juwelen Neuseelands. Zum Glück habe ich mein Babs-GPS dabei.

Der Fahrer …

und sein Babs-GPS

Ein seltener Blick in unser Fahrkabinenchaos. Unsere Route ist bestimmt durch ländliche Eintracht. Abgeschiedenheit, kleine Farmen und großes, weites Land. Eigentlich will man sich Zeit nehmen und alle 5 Minuten anhalten, die Farmershunde begrüßen und einfach nur dasitzen. Aber wie so häufig zieht etwas Regen und Schnee auf und wir halten nur dann an, wenn die Strecke nicht zu matschig ist. Ich habe beschlossen, ich kann Babs das häufige Anschieben des Roten Barons einfach nicht zumuten.

Der Weg nach Poolburn

Am Ende erwartet uns ein kleiner See. Rückzugsgebiet, Ferienort und Schauplatz der Herr der Ringe Verfilmung. Sogar ein kleines Café findet sich unter den kleinen Hütten. Doch um diese Jahreszeit ist niemand da und so streunen wir ein wenig umher, genießen die Stille, den Wind und die Spiele von Licht und Schatten. Ja, ich gebe es zu. Auch ich könnte mir hier eine kleine Hütte bauen, angeln gehen und versuchen, als Konkurenzcafé dem anderen Laden die Kundschaft abzugraben. Ich würde meine berühmten Pancakes anbieten und … ach es wäre schön. Nur wie kann ich Babs überzeugen? Gedanken dazu mache ich mir besser auf dem längeren Weg nach Queenstown. Es fängt mal wieder an zu schneien. Der Baron und Babs rufen. Ich komm ja schon! Machs gut kleines Café, ich komme wieder. Dann aber mit Pfannekuchen im Gepäck!

Die Gegend um Poolburn

Zukünftiger Standort des “Petit Café du Nils”

Die Nacht haben wir im wunderschönen Twelve-Mile-Delta verbracht. Da wir mal wieder im Dunkeln angekommen sind, hat uns der morgendliche Anblick wie schon so häufig direkt umgehauen. Zum Glück in unsere Warehouse-Klappstühle. Trotz einem 10 Dollar Preis halten die immer noch durch. Supi, ich gewöhne mich wahrscheinlich so daran, dass wir in Deutschland so etwas im Wohnbereich anschaffen werden.

Nahender Frühling, schneebedeckte Berge, was will man mehr, wenn der morgentlich Kaffee im Blechbecher die Hände wärmt. Auch haben die in Neuseeland allgegenwärtigen gelben Büsche wieder zu blühen begonnen. Mein persönlicher Favorit, wenn es um Lufterfrischung geht. Die Freunde riechen nach Kokos und sehen überall gut aus.

Frühstück im Twelve-Mile-Delta

Die Natur erwacht

Wir fühlen uns heute abenteuerlich und so ist es nicht verwunderlich, dass wir unsern heutigen Adrenalinstoß beim Bungee-Jumping abholen. Natürlich springen wir nicht selber. Da würde ja das Müsli wieder den Rückwärtsgang einlegen. Wir schauen zu und stellen uns dabei diverse unglückliche Ausgänge der Sprünge vor. Das reicht fürs Erste. Die heute älteste Springerin bekommt schon seit längerer Zeit Rente und muss sich nicht über verlorene Jahre ärgern, wenn etwas schief gehen sollte. Nach dem Sprung sind alle Anzeichen von Falten verschwunden. So machen die das hier also! Kein Wunder bei den Preisen für Schönheitsoperationen. Wir halten einen kurzen Plausch nach ihrem Sprung, aber auch dieses Mal hören wir nur: „Super, Schön, muss man mal machen, besser als Sex, Tschüssi“. Wenn das besser als Sex sein soll, dann ist es auf jeden Fall ein noch kürzeres Vergnügen als bei jemanden, der im Bett ein wahrer Schnellstarter ist.

Adieu schnöde Welt!

Besser als Sex? Ein Sprung in eisklates Wasser???

Diesen tiefgreifenden Erkenntnissen folgen ein paar Tage Wanaka. Wieder ein Abschied und der Versuch endlich den Rob-Roy-Track zu laufen. Das scheitert dieses Mal aber nicht an der Einstellung, sondern an der vom Schmelzwasser übervollen Furt.

Ich schaue mir die tiefe Furt an, dann den Roten Baron, dann wieder die Furt und dann Babs. Kann ich sie womöglich zu Fuß vorschicken, um die wahre Tiefe zu testen? Aber just in diesem Moment fährt ein Allrader an uns vorbei. Nun kennen wir nicht nur die Tiefe, nein wir wissen vom Geröll, den großen Steinen und wir wissen auch das selbst der Allrad-Jeep Probleme hatte. Bleibt uns nur ein kleines Picknick zu veranstalten und den sonnigen Tag zu genießen.

Als kleiner Trost bleibt uns außerdem, das Hugh Jackman vor nicht allzu langer Zeit auch hier war, um seinen Film Wolverine zu drehen. Im fertigen Film haben wir sogar die kleine Straße wiedererkannt. Wenigsten wird uns das nun immer an dieses Picknick erinnern. Ob Hugh wohl auch hier picknicken musste, weil er nicht durch die Furt kam? Wir werden es wohl nie erfahren.

Von Wanaka …

… bis fast zum Rob-Roy-Track

Ein perfekter Platz für ein Picknick

Zurück nach Wanaka und auf nach Norden!

Bis zum nächsten Mal, die Rumtreiber

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