Die Rumtreiber – Am anderen Ende der Welt


September 3, 2008

Junge Deutsche auf der Suche nach Weinbergen und Arbeit Folge 1: Wo’n da in Wanaka?

Category: Working Holidays – Nils-&-Babs 1:49 am

Berge, Seen und Ebenen so weit das Auge reicht. Landschaften und Szenen aus einer anderen Welt. Nie, so scheint es, gehen einem Reisenden hier die Eindrücke aus. Tatsächlich gibt es hier nur eine Sache die ausgeht wie mir scheint: Das liebe Geld. Irgendwie hatte ich mir bis zu diesem Zeitpunkt, Ende März 2008, noch keinerlei Gedanken um den zweiten Bestandteil unserer Neuseelandreise gemacht. Arbeiten. Natürlich nennen sie so ein Visum wie unseres „Work-and-Travel Visum“ aber wer hatte denn damit gerechnet, dass man das hier auch ernst meint?

Zum Glück war da ja noch Babs, die mir anhand ausgeklügelter Gewinn-Verlust-Rechnungsbeispiele eine vage Prognose für die kommenden Monate geben konnte. Aber just in diesem Moment waren wir in Wanaka angekommen. Einem kleinen Städtchen inmitten der Berge und am gleichnamigen See gelegen.

Lake Wanaka

Wanaka ist sehr beliebt zur Winterzeit (Juni bis September), wenn alle Welt hierher strömt um Ski oder Snowboard zu fahren. Anscheinend kommen aber auch im Sommer mehr und mehr Reisende hier her, obwohl das allseits bekannte und beliebte Queenstown nur ca. 100 km entfernt liegt. Ein weiterer Pluspunkt für Wanaka von unserer Seite: Es gibt Arbeit in den unzähligen Weinbergen der Region. Außerdem hat uns die örtliche Bevölkerung gebührend in Empfang genommen, wie man auf folgendem Bild sehr schön sehen kann.

Willkommen in Wanaka

Beim Schlendern durch das überschaubare Örtchen fiel unser Blick dann auch gleich auf die „Job Agency“. Eine Agentur für Zeitarbeit. Und da solche Agenturen ja weltweit für überdurchschnittliche Löhne und eine Vielfalt an Arbeitsmöglichkeiten stehen, sind wir sogleich mal zur freundlichen Dame am Schalter gegangen. Nagut, ich gebe es zu. Wir waren zu faul um überall herum zu rennen und nach Arbeit zu fragen. Allerdings sollte man sich das für die Zukunft wirklich überlegen, wenn man bedenkt, dass Agenturen wie die „Job Agency“ meist nur den gesetzlichen Mindestlohn herausspringen lassen. Zu unserem Glück wurde der kurz nach unserer Ankunft um ganze 75 cent erhöht. Zeit zum Träumen, was man damit alles anstellen könnte …

Viel gebraucht hat es nicht. Gleich am Eingang hatte man ein Registrierungsformular für freiwillige Knechtschaft auf dem Weinberg in der Hand. Drei Kreuze unten rechts und man war dabei. Auf also, zur vorerst letzten „freien“ Nacht unter dem Sternenhimmel Neuseelands.

Der Himmel über Wanaka

Awesome Bro!

Die Nacht kam und mit ihr die Aufregung vor dem nächsten Tag. Wie würde es wohl sein? Würde man nach 2 Monaten des Rumtreiberdaseins noch in der Lage sein um 6:00 Uhr aus dem Bett zu kommen? Würde man auf dem Weinberg von der Peitsche Gebrauch machen oder hatte sich diese Unsitte bereits vor Jahrzehnten verabschiedet? Und was wenn sich das in Wanaka noch nicht herumgesprochen hätte …

Punkt 6:00 Uhr klingelte der Wecker. Aufstehen, ab in die kalten Klamotten (ja der Herbst ist da) und auf zum erstmaligen Versuch Frühstück im Halbdunkel zu genießen.

Morgenstund …

Bei der Ankunft am vereinbarten Treffpunkt fühlen wir uns wie in diesen Berichten über Arbeiter in Mexiko. Ein wilder Haufen Leute wartet auf die Abholung durch Busse. Die Freude über den bevorstehenden Tag strahlt aus ihren Gesichtern herüber. Nun sind auch wir hoch motiviert und können es kaum noch erwarten. Nach ca. 30 Minuten Fahrt erblicken wir schließlich unseren ersten neuseeländischen Weinberg.

Juhu, ein Weinberg!

Spielwiese für Rumtreiber

Er trägt den Namen „Bendigo“. Wie passend, denn die Hauptfrau an diesem Tag scheint in einem früheren Leben Bändigerin für Löwen gewesen zu sein. Nur 1,50 m hoch, dafür aber mit fest verwachsener Sonnenbrille und einem widergekäutem Kaugummi, treibt sie uns in die Reihen. Vorher bekommt natürlich jeder noch seine eigene kleine Schere, die in den Händen des zu allem bereiten Backpackers zur tödlichen Waffe für jede Traube wird. Ein letzter Blick zum morgendlichen Mond bevor es unter die Netze entlang der Weinstöcke geht.

Ran an die Trauben

Alles in allem ist die Arbeit nicht allzu anstrengend. Das Tempo stimmt und leise summen wir eine Melodie zum klappern unserer Fussketten. Die Reihen werden abgearbeitet und wenn man fertig ist wartet man auf Anweisung. Bloß nicht auf eigene Faust weiter machen. Dann drohen das öffentliche Auspeitschen und viel schlimmer noch, eine „Böser du!“ Ansprache durch die Kaugummibändigerin. Wir ernten Pinot Noir der später einmal für 100 Dollar pro Flasche über den Ladentisch gehen soll und genießen den Anblick der dunklen Trauben, beflügelt von dem Gedanken, dass es ca. 10 Stunden Arbeit kosten wird, um uns eine solche Flasche leisten zu können. Allerdings bemerkt man nach einiger Zeit den ureigenen Geruch der Trauben, den man wie mir scheint, in den nächsten Wochen nur schwer wieder aus der Nase bekommt. Doch wie man auf folgendem Bild sieht, kann dies nicht die Freude nehmen, die Babs in diesem eingefangenen Moment auf dem Weinberg empfindet.

Pinot Noir … oder war es Pinot Gris?

Lächeln und weiter machen!

Nach der Heimkehr vom Weinberg fängt für viele die Suche nach der passenden Übernachtungsmöglichkeit an. Dank sehr aufmerksamer Bewohner Wanakas wird man pünklich gegen 5 Uhr morgens geweckt, sollte man es wagen direkt im Ort oder am See zu nächtigen. Freundlich und mit dem Hinweis auf bevorstehende Geldbußen wird man gebeten woanders weiter zu schlafen, wobei „woanders“ meist einen gebührenpflichtigen Campingplatz oder ein Hostel bedeutet. Nichts desto trotz findet man viele nette und erschwingliche Plätzchen rund um Wanaka für die Nacht. Meist nahe am Fluss, welcher direkt als Badewanne genutzt werden kann.

Home sweet home

Der Clutha River

Wie man an den Blättern der Bäume schön erkennen kann, hält der Herbst so langsam Einzug (April 2008). Von nun an beginnt fast jeder Morgen um 6:00 Uhr obwohl es dem Einen oder der Anderen oft schwer fällt das warme Bett zu verlassen und in die klebrigen Hosen zu steigen. Am Ende einer Woche konnte man gut und gerne die Hose in Wasser einweichen um einen schönen 50 prozentigen Weintraubensaft zu erhalten.

Albert Town, nahe Wanaka

Babs hochmotiviert am Morgen

Beflügelt durch das neue Leben auf dem Weinberg entschlossen wir uns auch die Wochenenden nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Das brachte uns neben einem neuen Weinberg auch eine Menge Spaß. Denn nun entdeckten wir das die heimliche Herrschaft über Neuseeland von Franzosen ausgeübt wurde. Natürlich wimmelt Neuseeland meist von Deutschen Reisenden, aber mindestens ebenso viele kommen aus Frankreich. So kam es also das wir neben Dani und Frank aus good old Berlin auf die „French Connection“ stießen. Neben Thomas, dem ewig grinsenden mit 82 Zähnen, trafen wie auf Laurence von Arabien (sein bürgerlicher Name ist Alex) sowie François (alias Paco). Von da an hieß das Motto weniger Arbeit (denn von nun an war man eher am Schwatzen als am Schneiden) und mehr Lachen während der allzu kurzen Pausen.

Thomas, der Mann aus der Bretagne

Francois aka Paco

Käffchen

Laurence von Arabien (Alex)

Neben den ganzen Reisenden in Geldnot war der Rest der Belegschaft am Weinberg eher wie die Trauben die zu ernten waren: reif. Eine Horde Rentner aus verschiedenen Regionen Neuseelands die das langweilige Dasein ohne Arbeit (wie schrecklich!) satt hatten und lieber auf dem Weinberg ihre Zeit mit Gleichgesinnten verbringen. Was dem einen sein Schrebergarten, ist dem anderen sein Weinberg. So kamen wir neben vielen lehrreichen Erinnerungen aus kombinierten 7000 Jahren neuseeländischer Lebensweise auch zu dem ein oder anderen Gesangsvortrag. Denn während wir die Zeit mit Quasseln oder arbeiten mit stumpfsinnigem Blick verbrachten, trillerte die Bande fröhlich Lieder aus vergangenen Zeiten.

Die unendliche Geschichte … vom Weinberg

Die grauen Panter

Somit waren die Arbeitstage kurzweiliger als gedacht und die Tage gingen ins Land. Dank eines angeschwollenen Zehs hatte ich allerdings nach einer Woche Arbeitsleben schon wieder frei. Antibiotika und Fußruhe waren angesagt. Eine nette Möglichkeit für Babs Alleinverdiener der Rumtreiber Down Under zu sein. Man sieht hier ganz deutlich, dass die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau wirklich funktioniert 🙂

Was man in und um Wanaka so alles anstellen kann, wie man das wohlverdiente Geld allzu leicht in der Kneipe nebenan wieder los wird, wie deftiges deutsch-französisches Kochvergnügen aussieht und was sonst noch alles geschah … seht ihr in der nächsten Maus … ähhh Rumtreibergeschichte.